Fünfte Reise Tag 102: Der Staub hört zu

Datum: 18. August 2025
Ort: Petra, Jordanien
Heute Morgen bin ich durch den Siq nach Petra gegangen. Der Weg war schmal und schattig, und die Luft fühlte sich kühler an, als ich erwartet hatte. Jeder Schritt verursachte ein leises Geräusch auf dem Stein, und ich hatte das Gefühl, von den Wänden angezogen zu werden. Ihre Höhe gab mir ein Gefühl von Sicherheit und Staunen zugleich. Das Licht veränderte sich mit jeder Kurve – manchmal war es ein dünner Sonnenstreifen auf dem Boden, manchmal ein plötzlicher Lichtblitz auf der rosaroten Oberfläche des Felsens.
Ich ging langsam, nicht um schnell anzukommen, sondern um die Reise zu genießen. Die Stille war nicht leer, sondern erfüllt vom Geräusch der Sandalen und den leisen Stimmen der Führer. Von Zeit zu Zeit flatterte ein Vogel zwischen versteckten Spalten hin und her. Während ich mich vorwärtsbewegte, berührte ich immer wieder den Stein. Seine Oberfläche war an einigen Stellen rau, an anderen glatt. Im Laufe der Jahrhunderte war er von vielen Händen berührt worden.
Der erste Blick auf die Schatzkammer erschien plötzlich durch eine schmale Öffnung in der Wand. Es fühlte sich weniger wie eine Entdeckung an, sondern eher wie die Enthüllung von etwas, das schon immer darauf gewartet hatte. Ich stand am Rand und schaute zu, während ich den Außenbereich des Gebäudes auf Distanz hielt. Die Farbe des Sandsteins veränderte sich ständig. Je nach Sonneneinstrahlung schimmerte er rosa, ockerfarben und golden. Ich versuchte, in meinem Notizbuch nicht das Monument selbst zu skizzieren, sondern die Schattenlinien, die über seine Säulen fielen. Die Zeichnung ist noch nicht fertig, aber vielleicht ist es besser, sie so zu lassen.
Am Nachmittag wurde die Hitze noch stärker. Ich fand einen schattigen Platz mit etwas Wind, setzte mich mit etwas Wasser hin und entspannte mich. Was mir am meisten in Erinnerung geblieben ist, war nicht die Pracht des Schatzhauses, sondern der Siq – die Verengung, die Vorfreude, das Gefühl, von den Steinen zu einer Öffnung getragen zu werden.
Heute Abend bin ich ruhig. Es war ein wenig staubig und ein wenig anstrengend, aber dennoch fast schon zeremoniell. Petra wurde uns langsam vorgestellt, wie ein Schatten, bevor es hell wird.