Fünfte Reise, Tag 108: Die Pause des Jungen

Datum: 24. August 2025
Ort: Tripolis, Libanon
Ich verbrachte den Nachmittag in der Nähe des Hafens. Die Luft war schwül, aber der Wind vom Meer sorgte dafür, dass es nicht zu unangenehm wurde. Die Fischerboote bewegten sich langsam. Ihre Farbe war abgeblättert und durch die jahrelange Einwirkung von Salzwasser aufgeweicht. Ich beobachtete, wie Männer Kisten entluden und Seile festbanden. Sie bewegten sich ruhig und geschickt. Die Möwen kreisten über ihnen und ihre Schreie waren laut zu hören, trotz des leisen Summens der Stadt.
Ich saß auf einer niedrigen Mauer und hatte mein Skizzenbuch aufgeschlagen. Der Bleistift bewegte sich fast von selbst und zeichnete, wie das Licht über das Wasser glitt, wie sich die Seile unter dem Gewicht krümmten und wie sich die Schatten auf dem nassen Stein auflösten. Meine Linien fühlten sich locker an, nicht präzise, eher wie Zuhören als wie Aufzeichnen. Ein Junge kam näher, um zuzuschauen, und ging dann, ohne etwas zu sagen. Seine Anwesenheit blieb mir im Gedächtnis – wie Neugierde in Stille auftauchen und wieder verschwinden kann.
Die Luft roch nach Fisch, Diesel und Salz. Mir wurde bewusst, wie sich hier die Sinne vermischen: Das Geräusch des Wassers schien salzig, und der Anblick des Lichts fühlte sich warm an. Die Zeit schien ohne Eile zu vergehen. Ich tat sehr wenig, und darin fühlte ich mich angekommen.
Es gab keine großen Entdeckungen, nur den Rhythmus kleiner Dinge – Seil auf Holz, vom Wind aufgeblähter Stoff, die gleichmäßige Linie des Horizonts. Das brachte mich zu der Überlegung, dass Anfänge nicht unbedingt intensiv sein müssen. Manchmal kommen sie in Pausen, in Momenten der Stille, in denen man bemerkt, wie das Meer seine Arbeit fortsetzt und wie die Stadt neben ihm atmet.