Fünfte Reise Tag 14: Der Klang des fernen Risses

Datum: 22. Mai 2025
Ort: Ilulissat, Grönland
Heute bin ich allein den Weg zum Sermermiut-Tal entlanggewandert. Hier herrscht eine Stille, die sich älter anfühlt als alles, was ich kenne. Der Weg war uneben und staubig von altem Schnee, und meine Stiefel machten beim Gehen ein leises Knirschen. Ich hielt immer wieder an, aber nicht, weil ich müde war. Ich musste anhalten, weil ich nicht alles auf einmal aufnehmen konnte. Die Eisberge, die sich wie stille Riesen über die Bucht ausbreiteten, trieben langsam dahin. Hin und wieder hörte ich das laute Geräusch von Eis, das in der Ferne brach. Es war sowohl heftig als auch seltsam entspannend.
Der Himmel war während meiner gesamten Wanderung schwer und grau, was die Farben der Landschaft matt und blass erscheinen ließ. Die Kälte fühlte sich ehrlich an, nicht strafend. Sie drückte gegen meine Haut und erinnerte mich an meine Anwesenheit. Ich stand am Rand des Aussichtspunkts, der Wind zerrte sanft an meinem Mantel, und beobachtete, wie sich die massiven Eisformationen unter den tief hängenden Wolken bewegten und verdrehten. Es gab kein dramatisches Lichtspektakel und keinen besonderen Moment – nur das tiefe, geduldige Gespräch zwischen Eis und Wasser, und ich durfte zuhören.
Ich fühlte mich wohler, weil die Situation nicht dringend war. Ich blieb viel länger als geplant, atmete tief durch und hielt mein Skizzenbuch in der Hand. Ich konnte nichts zeichnen, was dies einfangen würde. Es ist alles Vergangenheit. Ich ging langsam zurück, meine Finger waren steif und mein Geist war ungewöhnlich ruhig.
Ich glaube, das ist der Grund, warum ich so reise, wie ich es tue – nicht um etwas festzuhalten, sondern um Zeuge zu sein.