Fünfte Reise Tag 166: Möwe zwischen zwei Sprachen

Minimal, calligraphic curve evoking a gull in flight over Marseille’s harbor—an artwork meditating on movement between sea and city.

„Möwe zwischen zwei Sprachen“ – ein leiser Flügelbogen, wo Marseille Stein und Salz in Atem verwandelt.

Datum: 21. Oktober 2025
Ort: Marseille, Frankreich

In Marseille, Frankreich, brach der Morgen mit salzigem Seewind entlang der alten Gassen von Le Panier an. Dieser Mittelmeerhafen versprüht die Stille alter Häfen, den Windstoß des Mistral und eine lebendige Collage aus Sprachen und Straßenkunst – alltäglich und schön zugleich.

Der morgendliche Aufstieg nach Le Panier

Ich ging heute langsam bergauf vom Hafen hinauf nach Le Panier, wo alte Mauern sich biegen und neigen, als würden sie atmen. Die Luft roch nach Brot und Meer. Zwischen den Fenstern hing Wäsche, deren Stoff sich im Wind bewegte. An jeder Ecke schien ein Gespräch in der Pause zu sein – halb geschlossene Fensterläden, deren Farbe durch jahrzehntelange Sonneneinstrahlung abgenutzt war.

Echos zwischen Stein und Meer

Auf einem kleinen Platz spielte ein Junge mit einem Ball gegen eine Wandmalerei. Das Echo des Ballaufpralls vermischte sich mit dem Geschrei der Möwen. Ich stand da und sah eine Weile zu. Der Klang war hohl, aber warm, als würde die Stadt selbst etwas leise wiederholen, um sich daran zu erinnern.

Brot, Salz und Hafenlicht

Der Aufstieg ließ mich rot und heiß werden. Ich hielt an einer Bäckerei in der Nähe des Gipfels an und kaufte ein Olivenbrot, das noch ofenwarm war. Ich aß es im Stehen und schaute dabei auf den Hafen. Meine Finger waren mit Salz bedeckt, und die Luft roch nach Metall und Seetang. Der Geschmack war eine Mischung aus der Küstenfeuchtigkeit Singapurs und der Stille früher europäischer Morgenstunden.

Unvollendete Ränder eines funktionierenden Hafens

Am Nachmittag hatten sich die Wolken verzogen und gaben den Blick auf den blauen Himmel frei. Die Stadt wurde heller, aber nicht scharf und klar. Ihre Ränder blieben rau und menschlich. Marseille hat etwas Unvollendetes an sich, und das gefällt mir. Es ist nicht nachlässig, sondern lebendig und verändert sich ständig.

Eine Sprache zwischen Mauern skizzieren

Ich wollte diesen Ort nicht als Landschaft, sondern als Rhythmus malen: abwechselnd zwischen Klang und Pause, Dichte und Atem. Vielleicht fange ich morgen an zu zeichnen, wie die Mauern aneinander lehnen – nicht als Ruinen, sondern als Zeichen der Stärke.

Im Moment bin ich auf eine ruhige und erfüllende Weise müde. Meine Hände riechen ein wenig nach Oliven und Staub.

Reiseaufzeichnungen

  • Wetter: 19 °C; graues Morgenlicht, das in salziger Luft weich wird. Windig und feucht – das Meer atmet gegen den Stein.
  • Düfte: Frisches Brot und warme Oliven; ein Hauch von Metall und Seetang aus dem Hafen; Staub am Ende des Tages auf den Händen.
  • Geräusche: Möwen kreisen über dem Hafen, ein Ball hallt hohl gegen eine Wandmalerei, Wäscheleinen rascheln im Wind.
  • Reflexion: Marseille wirkt auf großzügige Weise unvollendet – von der Zeit abgenutzte Kanten, ein Rhythmus aus Pausen, Wände, die sich wie Begleiter neigen.

Setzen Sie die Reise fort

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