Fünfte Reise Tag 65: Zimmer mit dem gefiederten Rahmen

Datum: 12. Juli 2025
Ort: Jerewan, Armenien
Die Stadt wirkt, als wäre sie schon immer so gewesen und müsste sich nicht verändern. Ich kam gegen Mittag dort an und nahm mir Zeit. Ich ging langsam vom Bahnhof los und genoss das Gefühl des Lichts auf meiner Haut. Die Gehwege waren warm, aber nicht heiß. Sie rochen nach gebackenem Stein, wie ich ihn aus südlichen Gegenden kenne. Hier ist alles rosa, sogar der Stein. Es ist kein helles Rosa, sondern eher ein tiefes Rosa, wie die Farbe von Vulkangestein.
Ich besuchte das Sergei-Parajanov-Museum. Es liegt am Rande eines Hügels mit Blick auf den Berg Ararat, der heute jedoch in Dunst gehüllt war. Das Museum ist klein und wirkt wie ein Privathaushalt, mit vielen Gegenständen, die wie persönliche Witze oder Geschenke wirken. Gruppen von Puppen, Federn, rostigen Scheren und in Dreiecke geschnittenen Fotos. Seine Handschrift, die eckig und geschwungen war, war wie Noten an die Wände geheftet.
Es gab einen Raum, für den ich länger brauchte, als ich erwartet hatte. Es ist ein einfacher Raum mit nur einem Stuhl und einem niedrigen Tisch und einer Wand, die mit Bildern von Stoffstücken, Metall und Schnüren bedeckt ist. Es fühlte sich nicht kuratiert an. Es fühlte sich wie ein Angebot an. Es war, als hätte er den Raum nicht für Besucher, sondern für sich selbst gebaut. Ich stand ganz still da und wollte für einen Moment weder zeichnen, noch aufzeichnen oder interpretieren. Sei einfach du selbst. Lass die Teile sich von selbst zusammenfügen.
Draußen verkaufte ein Junge kalten Aprikosensaft in kleinen Plastikbechern. Ich nahm mir einen, setzte mich auf eine Bank gegenüber dem Museumseingang und trank ihn langsam. Er schmeckt zunächst süß, endet aber mit einer leichten Bitterkeit. Er wirkt unvollendet. Oder vielleicht ist er genau richtig.
Ich fühle mich jetzt entspannter – nicht verloren, sondern frei. Der Tag war nicht sehr anstrengend, und ich war auch nicht sehr anspruchsvoll. Das war alles, was nötig war.