Fünfte Reise, Tag 90: Um ein fallendes Blatt herumgezeichnet

Datum: 6. August 2025
Ort: Fergana, Usbekistan
Ich verbrachte den Vormittag im Innenhof eines Teehauses, der von Weinreben beschattet wurde. Das Licht fiel durch das Fenster herein und war weich und warm. Es fiel auf die Fliesen und den Tisch und ließ sie ein wenig anders aussehen. Ich bestellte schwarzen Tee und beobachtete, wie der Dampf langsam und dünn in der warmen Luft aufstieg. Neben mir saß ein älterer Mann, der eine Zeitung las, die in drei Teile gefaltet war. Wir sagten nichts.
Ich hatte mein Skizzenbuch dabei, öffnete es aber eine Weile lang nicht. Meine Hand bewegte sich einmal hin und her und blieb dann stehen. Manchmal kann das bloße Beobachten intensiver sein als das Tun. Stille kann manchmal stärker sein als Worte. Als ich mit dem Skizzieren begann, zeichnete ich statt der Ranken oder des Tees den Schatten des Löffels auf der Untertasse. Dann die Falte einer Serviette. Dann gar nichts mehr.
Das Tempo dieser Stadt hat etwas Besonderes. Fergana ist nicht hektisch. Sie verweilt und bietet kleine Dinge als Einstiegspunkte: Aprikosen, die über dem Zaun reifen, der ungleichmäßige Rhythmus einer Fahrradklingel, ein Katzenschwanz, der unter einem Lastwagen verschwindet. Das erinnert mich an die frühen Morgenstunden in Tofino, wo der Nebel alles weich und verschwommen machte. Hier ist es die Hitze, die die Dinge weich macht – das Atmen erschwert und alles intensiver erscheinen lässt.
Ich bin heute nirgendwo hingegangen. Ich blieb in diesem kleinen Raum und ließ ihn sich um mich herum verändern. Der Deckenventilator klang wie ein Metronom. Irgendwann fiel ein Blatt von einem Baum und landete auf meinem Skizzenbuch. Ich zeichnete es nach und schloss das Buch.
Heute Abend fühle ich mich ruhig. Es ist nicht leer, es ist nur schwebend. Es ist eine Stille, die nicht gefüllt werden muss. Ich denke, das ist der richtige Zustand, um ihn mit in den morgigen Tag zu nehmen.