Fünfte Reise, Tag 149: Die Mauer, die nicht einstürzte
„Die Mauer, die dem Einsturz widerstand“ – ein stilles Denkmal für Bitolas langes Gedächtnis, wo Stein durch die Zeit atmet.
Datum: 4. Oktober 2025
Ort: Bitola, Nordmazedonien
Als ich in Bitola ankam, Nordmazedonien, betrat ich eine Stadt in der Pelagonien-Ebene unterhalb des Baba-Berges, wo Boulevards aus der Zeit des Osmanischen Reiches auf die antike Stätte Heraclea Lyncestis treffen. Stein, Rauch und feuchte Herbstblätter prägten den Tag, als ich den Pfaden zwischen den heutigen Straßen und römischen Mosaiken folgte.
Steinige Luft, geschärfte Wahrnehmung
Ich kam heute Morgen in Bitola an, und die Luft fühlte sich dichter an als in Ohrid – eher wie Stein und Erde als wie Wasser. Die Stadt erstreckte sich in langen Linien, mit Bergen zu beiden Seiten, die das Licht an Ort und Stelle zu halten schienen. Mein Körper war noch steif vom Reisen, aber ich fühlte mich hier stabiler. Es war, als hätte sich meine Wahrnehmung der Dinge geschärft.
Heraclea Lyncestis: Mosaike und Erinnerung
Ich verbrachte den Nachmittag damit, zu den Ruinen von Heraclea Lyncestis zu laufen. Der Ort war ruhig und nicht überfüllt. Es waren nur wenige Besucher unterwegs. Ich ging vorsichtig über den unebenen Boden und ließ meine Augen über die Mosaike schweifen. Obwohl sie alt waren, hatten die Teile mit Vögeln und Ranken noch etwas Farbe, aber diese war aufgrund des Alters nicht mehr so leuchtend. Die Steinwege waren zerbrochen, aber sie leiteten dennoch die Bewegungen der Menschen, als hätte die Erinnerung selbst den Boden geformt.
Über Fragmente und Ganzheitlichkeit
Ich saß eine Weile auf einer niedrigen Mauer und legte meine Hände auf die raue Oberfläche. Die Luft war kühl, und ich konnte hören, wie sich die Blätter im Wind bewegten. Ich dachte darüber nach, wie Mosaike entstehen – Stück für Stück bilden kleine Fragmente ein Bild, das nie ganz vollständig ist. Das erinnerte mich daran, wie sich Reisen anfühlen. Es ist wie eine Sammlung von Erinnerungen und Erfahrungen, kein zusammenhängendes Bild. Die Lücken und Details bilden zusammen ein Ganzes.
Der vielschichtigen Stille lauschen
Am meisten erinnere ich mich an die Stille. Sie war nicht leer, sondern hatte viele Schichten. Es war still, aber es schien, als trüge diese Stille das Gewicht der Stimmen aus der Vergangenheit, das Geräusch der Schritte vieler Menschen und die Festigkeit von Stein in sich. Ich hatte das Gefühl, dass Ruinen nicht enden, sondern sich in einen anderen Rhythmus verwandeln, der Geduld erfordert, um ihn zu hören. Auch heute Abend denke ich noch über diesen Rhythmus nach.
Reiseaufzeichnungen
- Wetter: Kühle Luft bei 14 °C; blasse Sonne durch dünne Wolken; eine leichte Brise, die feuchte Blätter und Holzrauch mit sich trägt.
- Düfte: Feuchtes Laub rund um die Stätte, aus der Stadt herüberwehender Kaminrauch und der mineralische Atem alter Steine.
- Geräusche: Blätter, die sich im Wind bewegen, leise Schritte auf zerbrochenen Wegen, gelegentlich entfernte Stimmen über den Ruinen.
- Reflexion: Reisen sind wie ein Mosaik: Sie sammeln Fragmente und Lücken, bis ein Ganzes entsteht; Ruinen enden nicht, sie wechseln das Tempo und laden zum Zuhören ein.
Die Reise fortsetzen
Vielleicht interessiert Sie auch ein Tag auf dem Wasser in der Nähe von Ohridoder ein weiterer nordmazedonischer Moment in Skopjes pulsierenden Kreuzungen.