Fünfte Reise Tag 155: Chor ohne Münder
„Chorus Without Mouths“ – eine stille Studie über die vom Wind inspirierten Harmonien von Zadar, wo Wasser zu Klang wird.
Datum: 10. Oktober 2025
Ort: Zadar, Kroatien
In Zadar, an der kroatischen Adria, spielt das Meer selbst auf der Meeresorgel – Steinstufen, die Wellen in hauchige Töne verwandeln. Römische Spuren, venezianische Rhythmen und maritimes Licht vermischen sich hier und tauchen die Uferpromenade in ein klares, halbglänzendes Licht, das ebenso zum Zuhören wie zum Schauen einlädt.
Der Meeresorgel lauschen
Ich verbrachte den Nachmittag an der Meeresorgel, wo Klang zu Wasser und Wasser zu Atem wird. Die Töne steigen ungleichmäßig an – manchmal leise, manchmal hohl –, als versuche das Meer, sich an seine eigene Form zu erinnern. Kinder rannten über die Marmorstufen. Ein alter Mann lehnte an der Brüstung neben den Stufen. Er rauchte eine Zigarette, und sein Rauch hing in der Luft. Zuerst zeichnete ich nicht. Ich saß einfach da, genoss das Gefühl des Windes auf meiner Kleidung und fühlte mich im Laufe der Reise immer weniger müde.
Zwischen Himmel und Klang
Der Klang war wie eine Mischung aus Maschinen und Menschen, wie ein wackeliger Chor, der sich nie wirklich auf einen Klang festlegen kann. Jede Welle drückte die Luft auf unterschiedliche Weise durch die Rohre. Ich begann, Linien zu skizzieren, die dem Rhythmus der Musik folgten, anstatt der Form der Noten. Der Klang verschmolz mit dem Himmel. Für einen Moment fühlte ich mich, als befände ich mich zwischen beiden.
Harbor Coffee and Half-Glow
Später ging ich zu einem Café in der Nähe des Wassers. Die Tische waren noch nass vom Regen, der am Morgen gefallen war. Der Kaffee war zu stark, aber die Bitterkeit fühlte sich beruhigend an. Ich beobachtete, wie die Fähren anlegten und ablegten, und jedes Mal, wenn sie ankamen, war ein leises Echo auf dem Wasser zu hören. Das Licht, das auf die Adriaküste fällt, hat etwas Besonderes – es enthüllt nicht nur, sondern ermöglicht es einem, die Dinge auf eine neue Art und Weise zu sehen. Alles existiert in einer Art Halbdunkel.
Skizzen als Aufzeichnung des Zuhörens
Am Abend schaute ich mir meine Skizzen noch einmal an. Sie waren nicht klar, nur Spuren von Ton und Bewegung – eine Aufzeichnung des Zuhörens. Aber vielleicht ist das alles für heute. Manche Tage sind nicht zum Fotografieren da, sondern zum stillen Genießen.
Ein langsamer Ausatem
Der Klang der Meeresorgel hallt noch immer in mir nach – nicht als Musik, sondern als langsamer Ausatem.
Reiseaufzeichnungen
- Wetter: Klar mit vorbeiziehenden Wolken, 18 °C; eine sanfte Meeresbrise trägt Salz und die Wärme sonnenverwöhnter Steine mit sich.
- Düfte: Meersalz, sonnengewärmter Kalkstein, ein Hauch von Zigarettenrauch und der dunkle Trost von starkem Kaffee.
- Geräusche: Atemhafte Orgelklänge, die an- und abschwellen, Kinderschritte auf Marmorstufen, ferne Fährhörner und ihr leises Echo über dem Wasser.
- Reflexion: Skizzen folgten dem Rhythmus statt der Form; heute wurde dem Zuhören der Vorzug gegeben, sodass das Licht und die Geräusche der Küste die Linien zeichneten.
Die Reise fortsetzen
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